Drei empörende Fehlinterpretationen der Quantenphysik

Stoppt den Heisenberg-Missbrauch!

Drei empörende Fehlinterpretationen der Quantenphysik – Wie Wissenschaft für esoterische Theorien missbraucht wird

Heisenberg und Quantenphysik

Die drei grossen Lügen der Quantenphysik-Missbrauchs:

  • Lüge 1: «Quantenphysik besagt, dass der Geist die Realität bestimmt – daher hat der Buddhismus recht»
  • Lüge 2: «Quantenverschränkung bedeutet, dass Präkognition und Telekinese wahrscheinlich existieren»
  • Lüge 3: «Heisenbergs Unschärfeprinzip bedeutet, dass die Wissenschaft versagt hat»

Wir leben seit über einem Jahrhundert in einer Quantenwelt, und in dieser Zeit ist die Quantenmechanik von einem Gebiet, das zögerlich von einer Handvoll Männer verstanden wurde, zu einer vollwertigen intellektuellen Industrie gewachsen. Leider folgt der Allgegenwart bald die Fehldarstellung, und kein Zweig der Wissenschaft diesseits der Evolutionstheorie hat mehr Verzerrung durch Popularisierung erlitten als die Quantentheorie.

Trendy Parapsychologen, akademische Relativisten und sogar der Dalai Lama haben alle versucht, der modernen Physik ein paar gut klingende Phrasen zu rauben und sie weit über ihren ursprünglichen Bereich hinaus zu dehnen, um verschiedenen Lieblingstheorien wissenschaftliches Gewicht zu verleihen.

Lüge 1: «Quantenphysik beweist, dass Bewusstsein die Realität erschafft»

Das falsche Argument: Wenn man ein Elektron in eine Box legt und hundertmal dasselbe Setup repliziert, erhält man bei Positionsmessungen nach einer Sekunde hundert verschiedene Ergebnisse. Dies geschehe nicht, weil das Teilchen zufällig herumspringt, sondern weil die Messung einer Position auf etwas aufzwingt, was zuvor ein komplexes Objekt unbestimmter Lage war. Die Messung habe die Position erschaffen – daher erschaffe Beobachtung die Realität, und unser Geist müsse Schöpfer der Realität sein.

Warum das falsch ist: Der Kardinalfehler liegt darin, klar definierte wissenschaftliche Begriffe mit lose verstandenen populären zu verwechseln. So wird «Messung» zu «Beobachtung» zu «Gedanke» zu «Geist» in einer Kette immer schwindender Präzision.

Was wir wirklich wissen: Eine Messung kollabiert das oft lächerlich komplizierte Wellenmuster eines Teilchens zu einem Spike, der auf einem der möglichen, durch die Wellenfunktion erlaubten Werte zentriert ist. Eine Messung kann nicht zu irgendeiner beliebigen Antwort führen – sie ist wie das Ziehen aus einem Hut mit hundert Zetteln, die alle gerade Zahlen tragen.

Das Skalierungsproblem: Quanteneffekte hören auf, beobachtbar zu sein, wenn die beteiligten Teilchen über eine bestimmte Grösse steigen. Quanteneffekte manifestieren sich typischerweise nur bei Teilchen um die Masse eines Elektrons oder bei extrem kalten Atomen nahe dem absoluten Nullpunkt.

Für das alltägliche Leben bedeutet das: Die «realitätsschaffenden» Aspekte zeigen sich nur bei subatomaren Teilchen, und selbst dann geht es nicht um das Erschaffen von Realität, sondern um die Auswahl eines von mehreren vorbestimmten möglichen Zuständen.

Lüge 2: «Quantenverschränkung beweist Telepathie und Präkognition»

Das falsche Argument:

In der Quantenverschränkung scheinen Teilchenpaare in der Lage zu sein, Informationen schneller als Lichtgeschwindigkeit zu übertragen. Wenn ein Elektron «Spin up» gemessen wird, wird das verschränkte Positron sofort «Spin down». Parapsychologen theoretisieren, dass dies der wissenschaftliche Mechanismus hinter übersinnlichen Fähigkeiten sei – Menschen könnten sich miteinander «verschränken» und so Informationen über grosse Distanzen austauschen.

Warum das Unsinn ist: Quantenverschränkung ist der Wächter der Erhaltungsgesetze und des Unschärfeprinzips. Sie stellt sicher, dass die Beschränkungen von Teilchen, die einst verbunden waren, auch nach ihrer Trennung durchgesetzt werden – aber nur für Erhaltungsgrössen wie Drehimpuls.

Wenn man versucht, dies auf Menschen anzuwenden, entstehen unlösbare Fragen: Was genau ist der Superpositionalzustand, in den zwei Geister eingesperrt werden? Was ist der Mechanismus der Messung, der den Kollaps verursacht? Und was genau wird eigentlich erhalten?

Verschränkung ist ein mathematisches Phänomen, das schnell zu Unsinn wird, wenn es aus seinem natürlichen Habitat genommen wird. Sie funktioniert innerhalb strenger quantenmechanischer Regeln – entfernt man diese Regeln, beraubt man sie ihres zentralen Funktionsprinzips.

Lüge 3: «Heisenbergs Unschärfeprinzip bedeutet das Ende der Wissenschaft»

Das falsche Argument: Vor 300 Jahren führten Newtons mathematische Erklärungen dazu, dass Menschen zu eifrig in die Arme der mathematischen Wissenschaft liefen. In den 1920er Jahren brachte Werner Heisenberg diese ganze Struktur durch sein Unschärfeprinzip zum Einsturz. Die Wissenschaft sei voller unüberbrückbarer Lücken und habe die Grenzen ihrer Erklärungskraft erreicht. Daher sei es Zeit für andere, weniger mathematische, vielleicht ganzheitlichere oder spirituellere Untersuchungsprozesse.

Warum das falsch ist: Das Unschärfeprinzip besagt keineswegs, dass Chaos im Physik-Königreich herrscht. Es ist tatsächlich eine relativ harmlose, aber unglaublich mächtige Aussage darüber, was passiert, wenn zwei Grössen nicht gut zusammenspielen.

Was populäre Darstellungen des Unschärfeprinzips oft auslassen: Es gibt viele messbare Grössen, die bestens zusammenarbeiten. Die Messung der Gesamtenergie und die des Drehimpuls-Betrags kommutieren zum Beispiel perfekt miteinander – die Messung der einen hat keine Auswirkung auf die andere.

Die Realität der Unschärfe:

  • Das Unschärfeprinzip ist ein Ausdruck, der uns die Obergrenze dafür angibt, wie sehr zwei Grössen die Messungen des anderen stören
  • Manchmal ist die Antwort «Gar nicht», manchmal «Ein bisschen»
  • Die mathematischen Konsequenzen haben tiefere und präzisere Einblicke in die Natur der Realität ermöglicht, als je unter dem Newton’schen Modell geträumt wurden

Das Problem der wissenschaftlichen Popularisierung

Als Physiklehrer ist auch der Autor gelegentlich der Versuchung erlegen, Quantenmechanik «sexy» zu machen: «Quantenphysik ist wie Anarchie, Mann. Keine Regeln! Nieder mit Newton!» fasst den Trend gut zusammen.

Aber das setzt den Knall an die falsche Stelle – Quantenmechanik ist revolutionär und aufregend und atemberaubend, aber nur nachdem viel mühsame Mathematik durchgearbeitet und viele Regeln befolgt wurden.

Der Kernpunkt: «Ich kann etwas Sensationalismus verkraften, um die Aufmerksamkeit der Studenten lange genug zu erregen, um sie sorgfältig schönen Ideen auszusetzen. Was ich nicht ertragen kann, ist die Zweckentfremdung einer Handvoll sexy klingender Begriffe und deren metaphorische Anwendung, um dem eigenen intellektuellen Fetisch wissenschaftliches Gewicht zu verleihen.»

Fazit: Echte Quantenphysik ist faszinierend genug

Quantenphysik ist wunderschön genug, wie sie ist, ohne sie mit den grotesken Farben der Pop-Parapsychologie zu verkleiden. Es ist ein endloser Kampf gegen eine Reihe rücksichtsloser Opportunisten, die niemals in ihrer Zahl zu schwinden scheinen.

«Aber Autoren (und Dalai Lamas) werden dies weiterhin tun, bis sie sich routinemässig für ihre Ungenauigkeit blossgestellt finden.»

Dale DeBakcsy

Die Quantenmechanik hat genug für uns getan – warum nicht den Gefallen erwidern und sie vor Missbrauch schützen?

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Dieser Artikel fasst die wichtigsten Punkte zusammen. Für die vollständige Diskussion mit mathematischen Formeln, detaillierten Erklärungen und allen wissenschaftlichen Referenzen lies den kompletten Originalartikel als PDF:

Über Dale DeBakcsy:

Dale DeBakcsy hat Abschlüsse in Mathematik und Geistesgeschichte und ist seit 2003 Physik- und Mathematiklehrer. Sein Wissenschafts- und Kulturblog findet sich auf skepticfreethought.com, und seine Lieblingsfunktion ist sin(1/x). Er schrieb auch «When Big Evidence Isn’t: The Statistical Pitfalls of Dean Radin’s Supernormal» im Skeptical Inquirer.

Dieser Artikel basiert auf Dale DeBacksys Beitrag im Skeptical Inquirer und dient der Aufklärung über den Missbrauch quantenphysikalischer Konzepte in pseudowissenschaftlichen Theorien. Er richtet sich an alle, die echte Wissenschaft von esoterischen Fehlinterpretationen unterscheiden möchten.


Originalquelle: Dale DeBakcsy – «Stop Heisenberg Abuse! Three Outrageous Misappropriations of Quantum Physics», Skeptical Inquirer, Mai/Juni 2014