Lass die Sonne rein: Vitamin D brauchen wir mehr denn je

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Die meisten von uns lieben die Sonne und doch wird uns gesagt, dass wir uns vor Sonnenschein schützen. So bedecken wir unsere nackte Haut aus Angst vor Hautkrebs mit Stoff oder mit Sonnencreme. Das ist sicherlich weiterhin ein guter Rat und doch zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass Sonnenschein – oder genauer das Vitamin D, welches dadurch erzeugt wird – wichtiger für unsere Gesundheit ist, als wir bisher angenommen haben.

Wir wissen, dass extremer Vitamin D Mangel Rachitis (Knochenerweichung) verursacht. Es ist auch bekannt, dass sogar ein leichter Mangel an Vitamin D das Riskio von Knochenbrüchen erhöht. Was neu ist, ist die Erkenntnis, dass Vitamin D nicht nur eine Rolle bei den Knochen spielt, sondern dass wir – wenn wir nicht genug davon kriegen – sich das Risiko für Autoimmunerkrankungen wie MS oder Type 1 Diabetes und sogar für bestimmte Krebsarten erhöht und wir anfälliger für Infektionen sind.

Es gibt zwei Arten, wie wir Vitamin D bekmomen: durch die Nahrungsaufnahme und dadurch, dass wir unsere Haut der ultravioletten B-Strahlung (UVB) der Sonne aussetzen. Zellen in der äussersten Schicht unserer Haut, der Epidermis, erzeugen eine Substanz mit Namen 7-dehydrocholesterol, welche mit dem UVB Licht reagiert und so eine Vorstufe (Provitamin) von Vitamin D bildet. Unsere Nieren wandeln dieses Provitamin in die aktive Form, welche sich danach an die Rezeptoren im Darm und in den Knochen andocken und helfen, den Calcium-Spiegel zu regulieren – eine entscheidender Prozess für den Knochenbau.

Neben den Nieren gibt es noch verschiedene Typen von Immunzellen, welche Vitamin D in seine aktive Form umwandeln können und viele davon besitzen auch Vitamin D Rezeptoren. Der erste Hinweis, dass Vitamin D eine aktive Rolle im Immunsystem spielen könnte, erhielt man schon in den 60er Jahren bei Studien zu Multiple Sklerose. Dabei fiel auf, dass es in höheren Breitengraden mehr MS-Fälle zu geben schien. Mehr und mehr Daten weisen nun auf einen direkten Link zum Sonnenschein hin.

Eine australische Studie von 2011 wertete hunderte Studien aus, welche den Zusammenhang zwischen MS und Sonneneinstrahlung untersuchten und kam zum Schluss, dass der Trend real ist. Dies mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. Skandinavien, welches weniger MS Fälle aufweist als beim entsprechenden Breitengrad zu erwarten wäre – aber hier ist wiederum zu beachten, dass man im skandinavischem Raum viel öligen Fisch konsumiert, ein Nahrungsmittel reich an Vitamin D.

Interessant ist auch der Fall Iran. Zwischen 1950 und 1970 war Iran stark durch die westliche Mode beeinflusst. Mit der islamischen Revolution 1979 kam hier ein grosser Wandel. Männer kleideten sich mässiger und Frauen bedeckten ihren Körper fast vollständig – Haut die vorher in der Sonne baden durfte war nun plötzlich in der Dunkelheit. Es existieren keine Daten zu MS vor der Revolution, aber in der Zeit zwischen 1989 und 2006 zeigte eine 8fache Erhöhung der MS-Fälle (gegen 6 auf 100‘000 Menschen).

Weiter Hinweise auf einen direkten Zusammenhang zwischen MS und Sonnenlicht, bzw. Vitmain D zeigen eine Studie der Harvard School of Public Health: Bei Menschen, mit beginnender MS, welche einen tiefen Vitamin D Spiegel aufwiesen, verschlimmerten sich die ersten Symptome markant und zeigten auch eine schlechtere Prognose. Auch zeigte die Studie, dass junge Menschen mit tiefem Vitamin D Level zweimal so oft Typ 1 Diabetes entwickeln als solche mit normalen Levels.

Wie viel Vitamin D braucht der Körper nun? Es gibt hier keine einheitliche Richtlinie. In England und den USA empfiehlt man – mit Fokus auf gesunde Knochen und Zähne – 20 Nanogramm pro Milliliter Blut. Ein starkes Immunsystem benötigt jedoch mehr. So wird von anderen Stellen 30 bis 100 ng/ml empfohlen.

Wenn wir nun annehmen, dass 20 ng/ml genug sei und du über einem Breitengrad von etwa 35 Grad zu lebst (nördliche von San Francisco, Sevilla, Seoul oder südliche von Melbourne – also auch wir hier in der Schweiz), dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass du wenigstens einen Teil des Jahres einen Vitamin D Mangel hast. Zwischen November und März (oder Juni bis August in der südlichen Hemisphäre) ist der Winkel der Sonne so, dass in den höheren Breitengraden nur wenige UVB Strahlen die Erde erreichen und es somit für uns schwierig ist, über die Haut ausreichend Vitamin D zu erzeugen. Man kann sich leider auch kein Reservoir an Vitamin D anlegen, da die Speicher nach etwa 30 Tagen schwinden.

In England zeigte eine Studie, dass im Winter und Frühling etwa die Hälfte der Menschen Vitamin D Spiegel unter der UK-Empfehlung hatten und etwa 15% ganzjährig einen Mangel aufwiesen. Für Menschen mit dunkler haut, welche in höheren Breitengraden leben, ist das Risiko sogar noch grösser, da sie eine längere UVB Bestrahlung benötigen um die gleiche Menge an Vitamin D erzeugen zu können.

Aus Angst vor Hautkrebs ist es verständlich, dass Menschen in den Sommermonaten ihre Haut bedecken und sogar Feuchtigkeitscremes und Make-Up beinhalten heute oft Sonnenschutz. Dies obwohl es mehr und mehr Beweise gibt, dass Sonnenlicht das Risko andere Krebsarten zu bekommen verringert.

Die gute Nachricht ist, dass es relativ einfach ist genug Vitamin D zu bekommen. Eine hellhäutige Person in England braucht Gesicht und Arme nur etwa 10 Minuten in der Mittags-Sommer-Sonne zu baden um etwas das doppelte des Tagesbedarfs zu erzeugen, wobei dunkelhäutige Menschen hier etwa 40 Minuten benötigen (siehe Bild). Es gibt sogar Apps, welche dir zeigen, wie du genug Vitamin D bekommst ohne einen Sonnenbrand zu kriegen.

Aber die Sonne scheint nicht immer und wir können auch nicht immer nach draussen wenn wir wollen. Was ist, wenn es wolkig ist oder zu im Büro „feststeckst“? Dichte Wolken und Schatten halbieren in etwa die Menge an Vitamin D die der Körper synthetisieren kann und Glas blockiert dies ganz. UVB Strahlen schwinden auch frühmorgens und am frühen Abend, auch wenn die UVA Strahlen weiter gleich aktiv sind. Im Sonnenstudio setzen wir uns vor allem UVA Strahlung aus und nur sehr wenig UVB.

Kann ich meinen Vitamin D Bedarf durch die Nahrung decken? Die gegenwärtigen US und UK Richtlinien empfehlen zwischen 15 und 25 Mikrogramm Vitamin D / Tag (Total aus Sonne und Nahrung). Eine 100 Gramm Packung geräucherter Lachs wäre somit ausreichend. Auch 3 Büchsen 160 Gramm Thunfisch würden es tun. Aber wenn man nicht viel fettigen Fisch isst, ist es unwahrscheinlich, die benötige Menge durch Nahrung alleine aufnehmen zu können.

Es wird empfohlen täglich etwa 10 Mikrogramm Vitamin D in Form von Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen – besonders schwangere, stillende Mütter, Menschen über 65 und solche die nicht oft an die Sonne gehen.

Nahrungsergänzungsmittel sind nicht ohne Risiko. Vom Sonnenbaden kann man keine Überdosis kriegen, da alles was zu viel produziert wird vom Körper wieder abgebaut wird. Aber wenn Vitamin D direkt eingenommen wird, kann dies zu hohen Calcium-Werten im Blut führen, welches wiederum die Nieren schädigen kann – es ist jedoch noch nicht klar, ab welchen Dosen dies ein Problem werden kann.

Die Empfehlungen gehen hier auseinander. UK empfiehlt nicht mehr als 25 Mikrogramm/Tag Vitamin D als Nahrungsergänzung einzunehmen, wobei die Obergrenze in den USA mit 100 Mikrogramm angegeben wird.

Laufende klinische Studien, in welchen Vitamin D als Nahrungsergänzung Menschen mit Krebs und MS gegeben wird, werden zeigen, inwiefern Vitamin D hier hilfreich ist. Erste Resultate zeigen positive Einflüsse auf MS-Symptome.

Ein Spaziergang in der Sonne ist immer eine Freude für Körper und Seele. Mit den neuen Erkenntnissen wissen wir, dass auch unsere Zellen davon profitieren.  Als geht raus und geniesst die Sonne und die Natur – natürlich immer im Mass 🙂

Wieviel?

Wieviel Sonne ist zu viel? Während in der Sonne braten bis zum Sonnenbrand sicher nicht gesund ist, verhärten sich die Hinweise, dass es kontraproduktiv ist, sich zu fest zu schützen. Menschen welche in sonnigeren tiefere Breitengrade leben haben ein tieferes Risiko an bestimmte Krebsarten zu erkranken, dazu gehören Brust-, Prostata- und Darmkrebs.

Woran liegt das? Viele Tumorzellen haben Rezeptoren für Vitamin D, was darauf hinweist, dass diese Zellen auf Vitamin D reagieren. Es ist bekannt, dass Vitamin D den Tumorwachstum verlangsamen kann und sogar gewisse Arten von bösartigen Zellen zum Selbstmord bewegen kann.

Wie kriege ich meine tägliche Dosis?

15 Mikrogramm Vitamin D (die empfohlene Tagesdosis) kriegst du durch:

0.5 Teelöffel Lebertranöl (gibt es auch als Kapseln und das ist das was ich täglich nehme und empfehle)
88 g smoked salmon (Wildfang)
10 Teelöffel Margarine (nicht zu empfehlen, da Margarine reich an gefährlichen Trans-Fetten ist)
15 Eier (also ich bleibe bei den Lebertranperlen)
15 Schüsseln angereicherter Cerealine (bleibe immer noch bei den Lebertranperlen)
2.8 kg Schweizer Käse (Lebertranperlen liegen weniger auf)

(Übersetzt aus dem Englischen – NewScientist 6 August 2014)


Neuste Forschungsergebnisse zeigen, dass der tägliche Bedarf von Vitamin D3 für einen Erwachsenen etwa bei 5’000 Einheiten (IU) liegt, was etwa 125μg entspricht.

Dazu hier ein sehr interessanter Vortrag von Prof. Dr. Jörg Spitz: Vitamin D – „Hype oder Hope“